Transkription von Ms 516
[Seite 1]:
[Epigramme [links oben] Gedichte aus der Jugend [rechts oben]
Zu freundschaftlichem Andenken an Thümmel. 1800 v.Th. geschrieben [Mitte unten]
Originalhandschrift von Thümmel [ganz unten links]
Die Handschriften oben und unten sind identisch, ebenso die der Anmerkung „1800 v.Th. geschrieben“. „Zu freundschaftlichem ...“ stammt von anderer Hand.
Die Handschrift des Manuskripts selbst unterscheidet sich von der des Briefes von Thümmel (Ms 517), aber das mag auch an den langen Jahren liegen, die zwischen den Abfassungen liegen (1774 - 1800). Ein Vergleich mit anderen handschriftlichen Zeugnissen Thümmels sollte Klarheit verschaffen.]
[Erster Text ohne Überschrift.]
[In anderer Form in Thümmels Sämmtliche Werke, 1856, VIII. S. 17 (Werke) und Poetische Schriften, Wien, 1792, S. 140 (Schriften) unter dem Titel: Bitte eines Liebhabers an seine junge Geliebte, mit der er schon einige Zeit versprochen war.]
Entfern einmal [Druck: Du übertreibst] o Freundin meiner Jugend
Die übertriebne Sittsamkeit [Druck: Den Reiz der Scham und Sittsamkeit]
Dies Fieber deiner strengen Tugend [Und in dem Fieber deiner Tugend]
Betrüget Uns um Glück und Zeit [Betrügst du dich um Glück und Zeit]
[Druck: Wie lange willst du noch, wie lange
Das treu‘ste Bild (Werke; Schriften: Band) der Ehe fliehn
Und mir zur Qual im kurzen Übergange
Vom Fräulein bis zur Frau - verziehn?]
Dü hörst nicht meinen Rath Geliebteste, so höre [Druck: Du hörst mich nicht ? Geliebteste! so höre]
Doch deiner ersten Mutter Rath
Sie die zuerst ein Maas der Ehre [Druck: Sie, die das Maas der jungfräulichen Ehre]
Für ihr Geschlecht gezeichnet hat. [Druck: Am richtigsten gemessen hat.]
Als sie der Herr mit allem [Druck: jedem] Reitz umgeben
Der dich itzt [Druck: jetzt] schmückt, ins Leben rief
Bewahrte sie ihr jungfräuliches Leben [Druck: Bewahrte sie dies jungfräuliche Leben]
So lange nur als Adam schlief.
An Herrn von ***
[Unter dem Titel: „An einen stolzen Herrn von Adel“ in Schriften, S. 188; nicht in Werke.]
Freund wenn dein Stammbaum Uns nur erst beweisen kann
Das Glied für Glied von deinem Ahnherrn an
Verstand und Tugend abgenommen
So tret ich deiner meinung bey
Daß das Geschlecht von dem du abgekommen _
Das älteste im Lande sey
[Seite 2]
Befehl eines Liebhabers an den Schlaf
[Weder in Schriften, noch in Werke.]
Doris Augen werden trübe
[Anspielung auf Charlotte von Kanne, deren Schäferinnenname „Doris“ war;
Freundin in den Coburger Jahren, vgl. Heldmann, S. 318. Vgl. auch: „Das
Glück der Liebe“ von Thümmel; auch hier heisst die Frau „Doris“]
Gleich dem Himmel dem sie ähnlich sind
Ungern überlässt die Liebe
Dir o Schlaf ihr schönstes Kind
Wiege seinem (sic! eigentlich: seine) holden Glieder
Zu dem sanften Arm der Nacht
Und gieb es der Liebe wieder
Wenn der Morgenstern erwacht
Die [Druck: Der] Zweifler
[Werke S. 29: Schriften S. 185]
Die größte [Druck: beste] Weisheit ist nach der die Zweifler trachten
Mir wenigstens schenckt sie [Druck: Mir schenkt sie wenigstens] den
wichtigsten Gewinn
Ich bin nicht mehr so stolz die Thoren zu verachten
Seitdem ich zweifeln muß ob ich ein Weiser bin.
Grabschrift einer neuen Amazone
[Weder in Schriften, noch in Werke.]
Ich sammelte, den Ruhm des Helden nachzustreben
Der mir das Leben gab, im Kriege Lorbern ein
Und ehlos hab ichs aufgegeben
Um meiner Mutter gleich zu seyn.
[Seite 3]
Das Sinnbild der Authorschaft
[Nicht in Werke; Schriften, S. 205 unter dem Titel: „Das richtige Sinnbild“]
Cotill der Uns so oft mit seinen Schriften straft
Cotill läßt sich ein Petschaft faßen
Das Sinnbild meiner [Druck: seiner] Authorschaft
Das, denckt er müßte artig laßen
Er schlägts dem Künstler vor, der wagt es zu versprechen
Geht voll Erfindung fort und sticht was er erfand
Was konnt er auch wohl anders stechen?
Ein Schreibezeug und eine Hand!
Auf [?] eine junge Dichterin
[Schriften, S. 196, unter dem Titel: „Auf eine deutsche Dichterin“;
Werke, S. 30: „An eine deutsche Dichterin“]
Ein güldnes [Druck: goldnes] Saitenspiel entfiel Apollens Hand
Es thönte in der [Druck: durch die] Luft noch dreymal und verschwand
Von dem Olymp beklagt, sieht Amor es verschwinden
Fliegt nach, durchsucht die Welt und weint und kanns nicht finden Der himmlische Verlust lag in bemooßten Gründen
Wo Cloe [Druck: Phyllis; vgl. Gessner, Idyllen, 1756: Phillis. Chloe]
weidete die ungesucht es fand.
[Seite 4]
Grabschrift eines Recruten
[Unter dem Titel: „Auf einen Rekruten zur Reichsarmee“ in: Schriften, S.
204, Werke, S. 31]
Hier liegt Johann der als Recrute starb
Wär nicht der Narr aus Furcht für seinen [Druck: vor seinem] Tod gestorben
Der [Druck: Er] hätte sich gewiß so vielen Ruhm erworben
Als sein Herr Oberster erwarb.
Kurze Lebensbeschreibung des Grafen von N.
[Weder in Schriften, noch in Werke; vgl. Heldmann, S. 69,
wo das Motiv der Frankreichreise in einem frühen Gedicht von Thümmel -
anläßlich einer Reise von Weiße 1759 - erwähnt wird: Wo mancher Thor für deutsches
Geld/ Ein gallisch Laster tauscht,/ Und seinem Dörfchen dann mit Welt/
Und Stolz entgegen rauscht -/]
Welt höre mich - Matz ist es werth [Der Name wird auch in „Das gleiche
Glück der Ehe“ verwendet]
Den ich zu meinem Held erkohren
Der Himmel schuf ihn hochgeehrt
Er schuf sich um zu frühgebohren
Mit Spiel und Mußiggang und Schlaf
Vertrieb er seine Tag und Nächte
So lebt er und genoß als Graf
Des hohen Adels große Rechte
Und kaum daß auf dem leeren Hut
Des neuen Standes Federn wehen
Verhandelt er sein Hab und Guth
Um fremde Länder zu besehen
Er kam, als er sein Geld vertauscht
Für Frankreichs Masken [?] und Gebehrden [?]
Stolz krank und frech zurück gerauscht
Die Stütze seines Lands zu werden.