Transkription von Ms 448

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Mit roter Schrift von anderer Hand:

Suppl. zu Nr. 3627 Altenburg d. 27sten May 1811

Ich schreibe Ihnen, edler liebenswürdiger Mann, an einem Tage vieler, mehr froher als trüber Erinnerungen über die mein heute erlebter 73ster Geburtstag seine Eulenflügel zusammenschlägt, würde mich aber gewiß nicht meiner Antwort auf Ihren herzlichen doch viel zu schmeichelhaften Brief vom Januar, bis in den May verspätet haben, hätte ich nicht neun Monathe von allen neun Musen verlassen, in den Ketten mehr als einer Krankheit gelegen. Ein eiserner Ring griff in den andern. Ich stürzte in der Mitte des vergangnen Jahres, zwey Tage nachher als ich gestärkt und heiter von Pyrmont zurückkam, bey Besichtigung eines neuen Hauses zu Gotha, von einer dunkeln unbemahrten [?] Treppe, ungeschickt aber noch glücklich genug, mi… [?] beträchtliche Höhe herab, indem ich nur das Schlüsselbein des rechten Arms und nicht das Genick brach. Nach sieben bösen Wochen, flüchtete ich aus den Händen des Wundarztes, zu meiner jüngsten vortreflichen Tochter, der Frau Cammerfraunvon Thüngen, auf Thüngen bey Würzburg. Hier hofte ich Ruhe, Pflege und Erholung in den Armen eines liebend Wesens zu finden – und hier erhielt ich auch Ihre freundliche Zuschrift – aber in welcher Atmosphäre! eben da ich die Nachtheile eines guten Geschmacks u. seinen Genuß in einem Schwefelbad kennen lernte.

 

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Die Erschütterung meines Körpers durch jenen häßlichen Fall, hatte mir ein nach [noch?] empfindliche Übel – einen Hautausschlag zugezogen, der den Künsten zweyer bewiesente Aesculapen der dortigen Facultät, hartnäckig widerstand. noch immer ein wenig gelähmt und besonders sehr geschwächt an meiner Sehkraft entließen sie mich endlich in den ersten tagen des laufenden Monats, wo ich nach Gotha zurückkehrte. Den 12ten begleitete ich meinen Bruder nach Leipzig, wo ich mich vergebens nach meinem Wörlizer Freund umsah und zehn Zahe nachher reiste ich dem Familienfeste entgegen, bey welchem ich der Gefeyerte sowie der veralteste seyn werde. Ich kann es nicht schöner beginnen als durch mein freundschaftliches Morgengespräch mit dem Mann, der mich während meiner Leiden, durch seine lieblichen erinnerungen die ich mir an meinem Bette vorlesen ließ – oft wie ein tröstender Freund aufrichtete, der einem Unbehülflichen seinen kräftigen Arm reicht – Und Ihren gütigen Neujahrsbrief – als er dazwischen kam – verpflichte ich vollends mir ein Zuckerbrot nach einer bittren Arzeney – Wie zum Verführen ausgesucht, danken Sie mir doch für jene kunstlosen Äußerungen

 

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eines Herzens, das Sie so wiederholt durch den Blütenduft Ihres Geistes gestärkt haben. Jenes Gedichtchen – wird jetzt aus dem Morgenblatt – zu einem bleibenden Denkmal, in die Sammlung meiner sämtlichen Schriften, die Göschen veranstaltet übergetragen, und deren erster Theil wahrscheinlich künftigen Monath die Presse verläßt. Ich habe ihn angewiesen Ihnen ein schönes Exemplar dieser Edition, die er mit dem Schluß des Jahres zu beendigen gedenkt zu überschicken. Nehmen Sie solche von mir als ein kleines Andenken mit Ihrer gewohnten Güte für mich auf. Wäre ich nicht vor ihrer Herausgabe, zu krank, poschlu…t [?], u. übelgelaunt gewesen, um an etwas besseres, als an einen [?] physisches Ich zu denken, so würde ich manches verändert, herausgeschnitten, vervollkommnet und besonders meine Provencer Reise – vergeben Sie mir immer diese ungern unterlaßene Sünde – durch Ihr [?] Tagebuch [?], berichtigt haben. So aber erschein ich – so ungebessert als ich vorher war – aufs neue in der Welt, und verlasse mich auf den leichtgeflügelten Genius der bis jetzt so gut war, meine Frivolitäten in Schutz zu nehmen – hauptsächlich aber auf die

 

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Toleranz meines Zeitalters und die Nachsicht eines verständigen Lesers – Das größere Publicum habe ich ohnehin gewußt mir durch meine Schellenkappe zum Freunde zu machen. Bey meiner jetzigen physischen und moralischen Lähmung, würde es indeß zu anmaßlich seyn, so wenig verlegen ich auch sonst in guter Gesellschaft seyn mag – mich in dem Stammbuch eines Matthison, jenmen Hohepriesters Apolls, mit meinem Rauchfaß, an die Seite zu stellen, bevor es nicht ein Strahl von oben entzündet – Vielleicht erwartet mich ein solches Wunder in den elysnischen Gefilden zu baden bei Rastatt, die ich in kurzem zur Herstellung m einer Gesundheit besuchen werde. Auf alle Fälle werde ich Ihren Liebesbrief, nicht nur als einen freundlichen Begleiter, sondern auch als Maß zu der Windel eines portischen Fündlings, mit mir nehmen, den, wenn auch nicht eine [einer?] der keuschen [?] Musen, doch .tro.u [?] eine Dryäde zur Entfaltung ihres guten Rufs, in einer warmen Nacht, vor meiner Haussthür aussetzt. Gern werde ich mich des unschuldigen Geschöpfs erbarmen und möge, wenn ich über kurz oder lang, es Ihnen in den Schooß lege, sein kindisches Lallen Ihr freundschaftliches Andenken an seinen Pflegevater erwecken und ……. [?], der, vor der Hand, nur in schlichter Prose vermag, Sie seiner und seiner sämtlichen Verwandten hochachtungsvollen Ergebenheit zu versichern

Moritz August von Thümmel

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