Ms 303(5)
Tagebuch 1802
Entstehungszeit: Eintragungen vom 1. Januar bis 31. Dezember 1802
Art und Umfang: Die Eintragungen erfolgten in: Tägliches Taschenbuch für alle Stände auf das Jahr 1802. Ettinger, Gotha. Das „Tägliche Taschenbuch …“ umfasst insgesamt 272 Seiten; davon das Kalendarium 108 Seiten. Die Eintragungen erfolgten mit Tinte.
Signatur: Ms 303 (5)
Format: 158 x 96 mm
Bemerkungen:
Wie in den bisherigen Berichtsjahren stehen auch 1802 private Ereignisse im Vordergrund der täglichen Aufzeichnungen. Die Kontakte zu den Angehörigen des Hofes und der Staatsverwaltung sind nach wie vor eng, wenn auch die direkten Gespräche mit Herzog Franz Friedrich Anton nicht mehr so zahlreich sind.
In den Anfangsmonaten des Jahres beschäftigt sich Thümmel mit dem Ehekontrakt seiner Tochter Natalie, die im Dezember des Vorjahres den Freiherrn Thüngen geheiratet hatte; dessen wirtschaftliche Verhältnisse empfindet Thümmel als „waghalsig“. Auf Bitten der Mutter Thüngens vermittelt Thümmel einen hohen Kredit – 6.000 Reichstaler – bei der Altenburger Kammer-Leihbank, die Hans Wilhelm von Thümmel – Bruder von Moritz August – gegründet hatte. Im Februar beginnt er mit dem 8. Band seiner „Reise in die mittäglichen Provinzen Frankreichs“, der 1803 erscheinen wird.
Von Mitte April bis Anfang November hält sich Thümmel in Thüngen auf den Gütern seines Schwiegersohnes auf. Dort lernt er ihm bisher unbekannte „Vergnügungen“ kennen, wie das Fangen von Flusskrebsen und das „Lerchenstreichen“, also den Vogelfang mit Leimruten. Er hilft seinem Schwiegersohn mit seinen Ratschlägen bei dessen juristischer Auseinandersetzung mit dem Hochstift Würzburg bzw. dem Juliusspital um Besitzungen in Gräfendorf vor dem Reichsgericht in Wetzlar.
In Thüngen erreichen ihn per Brief Nachrichten über die beginnenden Auseinandersetzungen um sein Privileg zur Unterhaltung einer Marbelmühle im Fürstentum. Am 13. Juli erfährt er – ebenfalls per Brief – vom Tod seiner Stieftochter Pauline am 6. Juli im Wochenbett; er schreibt: „Ich weinte für mich den ganzen Tag.“ Nach einigen Wochen erhält er die Nachricht vom Tode von Paulines Kind.
In Thüngen schreibt Thümmel sein Testament und lässt es dort auch registrieren.
Gemeinsam mit Natalie, deren Mann, dessen Mutter und einem weiteren Gast unternimmt er eine Reise per Schiff auf dem Main von Wertheim über Aschaffenburg, Hanau, Offenbach nach Frankfurt. Nach einem mehrtägigen Aufenthalt – auch die „Comödie“ wird besucht – geht es nach Mainz und auf dem Rhein weiter über Rüdesheim, St. Goar, Nonnenwerth, Koblenz nach Ehrenbreitstein und Bad Schwalbach. Anfang September ist die Reisegesellschaft wieder nach längeren Aufenthalten auf anderen Thüngenschen Gütern in der weiteren Nähe zurück in Thüngen.
Obermarschall von Wangenheim, Thümmels Schwager, und dessen Frau treffen mit Roxane – Natalies Schwester - in Thüngen ein, um Natalie bei deren erster Geburt beizustehen. Ihr Arzt und „accoucheur“ (Geburtshelfer) ist Hofrat von Siebold aus der bekannten Würzburger Arztfamilie; ob es sich dabei um Damian von Siebold und dessen Frau Josepha handelt, die später als erste Frau in Deutschland die Approbation als Geburtshelferin erhielt, ist nicht eindeutig zu klären.
Die Geburt erweist sich als sehr schwierig, da der Kopf des Kindes zu groß ist; Thümmel beschreibt die „äußersten unaufhörlichen Schmerzen“ der Gebärenden, die schließlich, da auch das Leben des Kindes gefährdet ist, dazu führen, dass der Arzt eine Zangengeburt herbeiführt: Thümmel schreibt: „Ihr Geschrei dabei war erbärmlich.“ Am 9. Oktober kommt das Kind – ein Mädchen – zur Welt und wird am 17. Oktober auf die Namen Juliane Friederike Auguste getauft. Auch nach der Geburt hören die Probleme nicht auf: Natalies Brust entzündet sich.
Nach der Rückkehr nach Coburg über Bamberg am 8. November intensiviert Thümmel seine Arbeit am 8. Band seines Romans; trifft die alten Bekannten und Verwandten und ist oft beim Feldmarschall Friedrich Josias. Daneben begegnet er auch Minister von Kretschmann und am Hof den mehr oder weniger prominenten Besuchern und Durchreisenden. Das Jahr wird beschlossen mit der Klage Thümmels gegen die Regierung wg. des drohenden Verlustes seines Privilegs bei der Marbelherstellung.