Transkription von Ms 280 / 9

Anmerkung:
Die fett angezeigten Teile des Briefes sind bei Rüdiger Rückert unter der Briefnummer 31 abgedruckt; die kursiven Teile unter der Nummer 60. Unstimmige Lesearten des Druckes wurden korrigiert.

[Seite 1]

Ebern am 18n October. [1815]

Wie freut mich die Liebe, die aus Ihrem hastigen Briefe spricht! Ich glaube im Ernst, daß Sie, Ihr Vater und Truchseß mehr Freude an mir haben, als ich selbst je werde haben können. Von den Triumphen, von denen Sie mir erzählen, habe ich leider in meiner Einöde noch nicht viel erfahren. Doch das ist falsch. Das beste habe ich doch wohl, nemlich [sic!] Fouqué’s Brief, und zwar von Truchseß selbst überliefert, der vor einer Woche hier uns in Rentweinsdorf war. Auf den Isidorus und den Gustav Schwab werde ich nun Jagd machen; von letzterem hat mir schon beiläufig ein junger Bekannter aus Würzburg geschrieben, aber eben nichts bestimmteres, als Sie. Heute zünden wir auch hier die deutschen Feuer an, die denn doch, mit Ihrer Gunst zu reden, länger brennen sollen, als die deutschen Gedichte. Und wenn Sies bezweifeln, so sollen Sie doch glauben müssen, daß sie wenigstens eben so lang brennen werden, da ich eben darüber bin, diese deutschen Feuer eben auch in ein deutsches Gedicht zu bringen [verwischt; gestrichen: fassen]. Das sind Possen! Der Ernst aber von der Sache ist, daß mich sehr nachdenklich machte, was Sie mir von Ihrem Wunsche schreiben, nun doch lieber erotische als deutsche Gedichte zu sehn. Ihre Ansicht kam mir nicht unerwartet, da ich sie zum Theil von Ihnen selbst, zum Theil wiederholt aus Truchseß Mund habe. Indes schreckt mich Ihre Besorgniß der Langweiligkeit nicht ab. Wem ist es langweilig, zu triumphieren? Das kann man alle acht Tage von neuem. Und das Gefühl des Triumphes, gemischt mit einigen aufreizenden Bitterkeiten, will ich mit Gottes Hülfe nun noch durch eine weit größere Sammlung vaterländischer Gedicht zu Tage fördern. Ich denke, wenn ich mit nichts weniger als besonderer Empfänglichkeit für Vaterlandsgefühle ausgestattet im Stande bin, die Begeisterung des Schaffens für mich zu erhalten, so müssen Leser, denen ich wenigstens eben so viel Vaterlandssinn zutrauen muß, auch das Lesen aushalten können. Anders wär´es wenn ich ein ganz besonderer Enthusiast in diesem Fache wäre: dann wäre leicht zu besorgen, ich möchte weniger fieberischen Nerven des Publikums

[Seite 2]

Zu viel Anregbarkeit zutrauen, Sehen Sie zu, ob ein Trugschluß drin verborgen steckt. Ich schlie0e von meinem Interresse auf das der Leser; daß ich das thue, daran sind sie selbst mit Schuld, weil Sie mir durch Ihren Beifall Zutrauen für mich selbst eingeflößt haben. Ich müßte denn wirklich behext seyn! Es ist wie durch einen Zauberschlag die ganze romantische Feenwelt vor meiner Phantasie versunken, und die der Wirklichkeit aufgestiegen; diese steht glänzend auf der Scene, und nur die Streiflichter von jener spielen vom Horizont her darüber. Ich kann nicht anders; ich muß der Zeit noch ein  Opfer bringen; ob sie mich dann wirklich loslasse und der Romantik wieder überliefere, steht zu wagen. Das Werk, das ich nun, in dieser Ansicht, dem Publikum zu übergeben denke, ist fertig; es heisst: Kranz der Zeit. Ich gehe nun shcon über 8 Tage damit um, darüber an Fouqué zu schreiben, daß er mit einen Verleger schaffe, und kann immer nicht dazu kommen. Es sind abgeschmackte Geschichten, die Anstalten, die man immer noch machen muß, um etwas, das man mit Mühe gewonnen hat, an den Mann und unter die Leute zu bringen. Es thäte schier Noth, ich ginge nach Hildburghausen oder Rodach, um mir zu einem vernünftigen Briefe helfen zu lassen. Wenn ich komme, erschrecken sie doch nicht? Um ein Haar wäre ich heute nach Rodach gelaufen, um den Strauchen [Lesart von Rüdiger Rückert im Druck: Straufhain] brennen zu sehen und die Gleichberge wohin man wie ich höre, 30 Klafter zu Ehre aller Deutschen geschaffen hat. Zweierley hat mich zurückgehalten, erstens, weil ich erst aus Ihrem heutigangekommenen Brief mit Bestimmtheit erfahre, daß man auch bei Ihnen erleuchtet, und zweitens weil ich denke, daß ein solches Fest jeder zu Haus feyern muß; ob ich gleich hier keine so ausgezeichneten Ansichten finden werde. Mein Vater hat aber eine sehr praktische Ansicht gehabt. Er hat förmlich im ganzen Haus bei Groß u klein bescheren lassen; und mein kleines Schwesterlein hat, auf die Frage, was das Schießen, Läuten pp bedeutet? Die Antwort lernen müssen: Weil die Franzosen von den Preußen Schläge gekriegt haben.

[Seite 3]

Wir sind nemlich hier mit unserer Feyer um einen Tag zu früh heraus geplumt. Es war heute Hochamt (statt morgen); wobei der Dechant eine sehr schöne Rede hielt; nachher sprach auch der Landrichter etwas zum paradierenden Bürgermilitär; und damit das komische Salz nicht fehle, sagte er zum Schluß: er bringe den hohen Allirten [sic!] ein Lebewohl (nemlich Lebehoch). Zum Glück ist er kein satyrischer Mann, und auch kein zweideutig gesinnter. Morgen werde ich vielleicht nach Bamberg gehen, wo gar alle Teufel los sind. Wie sich nur die Bayern zu solchem Jubel bequemen können, da sie doch auch noch mit bei Leipzig auf der Seite der gebläuten Böcke waren. Daran scheint vor lauter Freude gar niemand zu denken, und das ist recht. In allem Ernste werde ich vermuthlich nächstens zu ihrem H. Vater kommen; Sie können mich gelegentlich anmelden; und etwa auch nach Hildburghausen. Ich bin gar nicht abgeneigt, zugleich mit dem Kranz der Zeit einen Band lyrica drucken zu lassen, und zwar lauter Sonette. Das wird Ihnen wieder nicht recht seyn. Wenigstens machen Sie mir doch zu den bei Ihnen befindlichen Sonetten, wenn sie Zeit und Lust haben, Randglossen, was Ihnen anstößig, unbedeutend, zu verbessernd u.s.w. scheinen mag. Ich werde das, salva ratificatione von Seite der Frau Muse, besonders gern benutzen. Dabei brauchen Sie gar nicht sehr schonen zu seyn; denn Sie wissen schon, daß es mir auf ein Dutzend Sonette gar nicht ankommt. Ich wollte nur, daß ich Ihnen mit dem Drachen aufwarten könnte, der eine ganz eigene Figur präsentirt, mit der ich übrigens nicht mehr recht zufrieden bin. Nämlicih dieser Drache ist eine polit[ische] Posse, vielleicht hat Ihnen Truchseß davon gesagt. Requiriren Sie doch gefälligst von Herrn von Schuler ein Manuscript, (auch Sonette) das er von mir schon eine ganze Ewigkei in Händen hat, und sehen Sie sichs auch an. Ich grüße schönstens Ihre drey schönen Kinder, Mutter und Töchterchen.

Bis auf Wiedersehen
Der Ihrige
Fr. Rückert

[Seite 4]

Seine Wohlgebohren
Herrn Hoftath u Leibmedikus
D. Hohnbaum
frey [von fremder Hand: Coburg]
in
Hildburghausen

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