Transkription von Ms 280 / 21:7

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Mit einem Feinde sei Aussöhnung dir und Friede
Um jeden Preis erwünscht; und wer dazu dir biete

Die Hand, dem dank' es, wie Dschafer, der Barmekide.

Dschafer, Raschid's Wesir, in Bagdad, war mit allen
Statthaltern gut im Reich, mit einem nur zerfallen.

Ägyptens Sahib war's, der Herrscher in Kahier;
Ein Frost lag zwischen ihm und zwischen dem Wesir.

In Bagdad aber lebt' ein Mann, dem war verliehn
Mehr Witz als Geld, der wollt' ins Land Ägypten ziehn.

Da dacht' er: Wie erwerb' ich mir des Sahibs Gnaden?
Erlaubt sei, was mir nützt, wenn keinem es mag schaden!

Mir zur Empfehlung schreib' ich an den Sahib dort
Von Dschafer einen Brief, und trag' ihn selber fort.

Der Sahib kennt, weil sie einander niemal [sic!] schreiben,
Die Handschrift nicht, so wird der Trug verborgen bleiben;

Ihm schmeicheln wird der Brief, das soll mir Früchte treiben.
So setzt er sich und schrieb und gieng sein eigner Both';

Ihn trog die Aussicht nicht auf gutes Botenbrot.
Der Sahib las erstaunt, im Herzen hocherfreut,

Daß der Wesir zuerst die Hand zum Frieden beut.

 

[Seite 1 Rückseite]

Doch etwas zweifelt er; er lässt den Mann bewirten,
Und einen Boten schnell nach Bagdad hin sich gürten:

Geh hin zu Dschafers Pfort', und frag frag den Pförtner dort;
Ob dieses der Wesir geschrieben Wort für Wort?

Der Bote geht sofort den Pförtner zu befragen;
Der nimmt den Brief, um ihn zum Herrn hinein zu tragen.

Der Barmekide las den Brief, und sah den Trug;
Den Freunden gab er hin die Schrift, indem er frug:

Wie rathet ihr daß uns bestraft der Fälscher sei?
Und sie ersannen ihm der Strafen mancherlei.

Der eine rieth, sogleich das Haupt ihm abzuschlagen,
Daß gleichen Frevel nie ein andrer möge wagen.

Der zweite sprach: Man hau' ihm ab die rechte Hand,
Die deinen Namenszug zu fälschen unterstand.

Der dritte sprach: Man geb', und so ist alles gleich,
Für jeden Federstrich ihm einen Ruthenstreich.

Ein vierter endlich war am menschlichsten gestimmt:
Genug ists, wenn er nichts durch den Betrug gewinnt,

Daß er den weiten Weg von Bagdad nach Kahier
Umsonst gemacht, und dort gehoffte Gunst verlier.

Doch Dschafer rief: Um Gott! ist unter euch kein Mann,
Der in der Brust ein Herz am rechten Fleck gewann?

 

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Ihr alle kennt die Kluft, die zwischen uns bestand,
Weit, wie von Bagdad hier dort ins ägyptsche Land,

Darüber reichte nicht der Freundschaft längste Hand.


Und von uns beiden konnt' es keines Stolz ertragen,
Der erste drüberhin ein Brückenjoch zu schlagen.


Von keinem unter euch auch durft' ich mir versprechen
Beihülfe, zwischen uns dem Frieden Bahn zu brechen.

Nun hat mir Gott den Mann gesendet, der sie brach;
Und lohnen soll' ich ihm den Freundschaftsdienst mit Schmach?

Geht hin zur Pfort', und sagt dort dem ägyptschen Knecht,
Er sag' es seinem Herrn, der Brief ist gut und echt.

Nach unsrer Absicht sei der Gruß ihm zugekommen;
Es freu' uns, daß er wohl den Boten aufgenommen.

Bewirten mög' er ihn, solang er weilt, in Ehren,
Und, wenn er es begehrt, ihn lassen wiederkehren,

Weil wir auch unsrerseits ihm wohlzuthun begehren.

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