23. Dezember

Fünftes Kapitel.

Das Ende.

 

 

Ja, und es war seine eigene Bettpfoste. Es war sein Bett und sein Zimmer. Und was das Glücklichste und Beste war, die Zukunft war sein, um sich zu bessern.

„Ich will in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft leben,“ wiederholte Scrooge, als er aus dem Bett kletterte. „Die Geister von allen Dreien sollen in mir wirken. O, Jacob Marley! der Himmel und die Weihnachtszeit seien dafür gepriesen! Ich sage es auf meinen Knieen, alter Jacob, auf meinen Knieen.“

Er war von seinen guten Vorsätzen so erregt und außer sich, daß seine bebende Stimme kaum auf seinen Ruf antworten wollte. Er hatte während seines Ringens mit dem Geiste bitterlich geweint und sein Gesicht war noch naß von den Thränen.

„Sie sind nicht herabgerissen,“ rief Scrooge, eine der Bettgardinen an die Brust drückend, „sie sind nicht herabgerissen. Sie sind da, ich bin da, die Schatten der Dinge, welche kommen, können vertrieben werden. Ja, ich weiß es gewiß, ich weiß es.“

Während dieser ganzen Zeit beschäftigten sich seine Hände mit den Kleidungsstücken: er zog sie verkehrt an, zerriß sie, verlor sie und machte allerhand tolle Sprünge damit.

„Ich weiß nicht, was ich thue,“ rief Scrooge in einem Athem weinend und lachend und mit seinen Strümpfen einen wahren Laokoon aus sich machend. „Ich bin leicht wie eine Feder, glücklich wie ein Engel, lustig wie ein Schulknabe, schwindlich wie ein Betrunkner.

Fröhliche Weihnachten allen Menschen! Ein glückliches Neujahr der ganzen Welt! Halloh! hussah! hurrah!“

Er war in das Wohnzimmer gesprungen und blieb jetzt dort ganz außer Athem stehn.

„Da ist die Schüssel, in der die Suppe war!“ rief Scrooge, indem er um das Kamin herumsprang. „Da ist die Thür, durch welche Jacob Marley’s Geist hereinkam, da ist die Ecke, wo der Geist der heurigen Weihnachten saß, da ist das Fenster, wo ich die wandernden Geister sah! Es ist Alles Recht, es ist Alles wahr, es ist Alles geschehen. Hahahaha!“

Wirklich für einen Mann, der so lange Jahre aus der Gewohnheit war, war es ein vortreffliches Lachen, ein herrliches Lachen. Der Vater einer langen, langen Reihe herrlicher Gelächter!

„Ich weiß nicht, den wievieltesten wir heute haben,“ rief Scrooge. „Ich weiß nicht, wie lange ich unter den Geistern gewesen bin. Ich weiß gar nichts. Ich bin wie ein neugebornes Kind. Es schadet nichts. Ist mir einerlei. Ich will lieber ein Kind sein. Halloh! hussah! hurrah!“

Er wurde in seinen Freudenausrufungen von dem Geläute der Kirchenglocken unterbrochen, die ihm so munter zu klingen schienen, wie nie vorher. Bim baum, kling, klang, bim baum. Ach, herrlich, herrlich!

Er lief zum Fenster, öffnete es und steckte den Kopf hinaus. Kein Nebel; ein klarer, luftig heller, kalter Morgen, eine Kälte, die dem Blute einen Tanz vorpfiff; goldenes Sonnenlicht; ein himmlischer Himmel; liebliche, frische Luft, fröhliche Glocken. O, herrlich, herrlich.

„Was ist denn heute?“ rief Scrooge einem Knaben in Sonntagskleidern zu, der unten stand.

„He?“ fragte der Knabe mit der allermöglichsten Verwunderung.

„Was ist heute, mein Junge?“ sagte Scrooge.

„Heute?“ antwortete der Knabe. „Nun, Christtag.“

„’s ist Christtag,“ sagte Scrooge zu sich selber. „Ich habe ihn nicht versäumt. Die Geister haben Alles in einer Nacht gethan. Sie können Alles, was sie wollen. Natürlich, natürlich. Heda, mein Junge!“

„Heda!“ antwortete der Knabe.

„Weißt Du des Geflügelhändlers Laden in der zweitnächsten Straße an der Ecke?“ frug Scrooge.

„I, warum denn nicht,“ antwortete der Junge.

„Ein gescheidter Junge,“ sagte Scrooge. „Ein merkwürdiger Junge! Weißt Du nicht, ob der Preistruthahn, der dort hing, verkauft ist? nicht der kleine Preistruthahn, der große.“

„Was, der so groß ist wie ich?“ antwortete der Junge.

„Was für ein lieber Junge!“ sagte Scrooge. „’s ist eine Freude, mit ihm zu sprechen. Ja, mein Prachtjunge.“

„Er hängt noch dort,“ antwortete der Junge.

„Ist’s wahr?“ sagte Scrooge. „Nun, da geh und kaufe ihn.“

„Hetsch!“ rief der Junge aus.

„Nein, nein,“ sagte Scrooge, „’s ist mein Ernst. Geh hin und kaufe ihn und sage, sie sollen ihn hieher bringen, daß ich ihnen die Adresse geben kann, wohin sie ihn tragen sollen. Komm mit dem Träger wieder her und ich gebe Dir einen Shilling. Komm in weniger als fünf Minuten zurück und Du bekommst eine halbe Krone.“

Der Bursche verschwand wie ein Blitz.

„Ich will ihn Bob Cratchit schicken,“ flüsterte Scrooge, sich die Hände reibend und fast vor Lachen platzend. „Er

soll nicht wissen, wer ihn schickt. Er ist zweimal so groß als Tiny Tim. Joe Miller hat niemals einen Witz gemacht, wie den.“

Wie er die Adresse schrieb, zitterte seine Hand, aber er schrieb so gut es gehen wollte, und ging die Treppe hinab, um die Hausthür zu öffnen, den Truthahn erwartend. Wie er dastand, fiel sein Auge auf den Thürklopfer.

„Ich werde ihn lieb haben, so lange ich lebe,“ rief Scrooge, ihn streichelnd. „Früher habe ich ihn kaum angesehen. Was für ein ehrliches Gesicht er hat! Es ist ein wunderbarer Thürklopfer! – Da ist der Truthahn. Halloh! hussah! Wie geht’s? Fröhliche Weihnachten!“

Das war ein Truthahn; er hätte nicht mehr lebendig auf seinen Füßen stehen können. Sie wären – knix – zerbrochen wie eine Stange Siegellack.

„Was, das ist ja fast unmöglich, den nach Camden-Town zu tragen,“ sagte Scrooge. „Ihr müßt einen Wagen nehmen.“

Das Lachen, mit dem er dies sagte und das Lachen, mit dem er den Truthahn bezahlte, und das Lachen, mit dem er den Wagen bezahlte, und das Lachen, mit dem er dem Jungen ein Trinkgeld gab, wurden nur von dem Lachen übertroffen, mit dem er sich athemlos in seinen Stuhl niedersetzte und lachte, bis die Thränen an den Backen hinunter liefen.

Das Rasiren war keine Kleinigkeit, denn seine Hand zitterte immer noch sehr; und Rasiren verlangt große Aufmerksamkeit, selbst wenn man nicht gerade während dem tanzt. Aber wenn er sich die Nasenspitze weggeschnitten hätte, würde er ein Stückchen englisches Pflaster darauf geklebt haben und zufrieden gewesen sein.

 

Er zog seine besten Kleider an und trat endlich auf die Straße. Die Leute strömten jetzt gerade

aus ihren Häusern, wie er es gesehen hatte, als er den Geist der heurigen Weihnacht begleitete; und mit auf dem Rücken zusammengeschlagenen Händen durch die Straßen gehend, blickte Scrooge Jeden mit einem freundlichen Lächeln an. Er sah so unwiderstehlich freundlich aus, daß drei oder vier lustige Leute zu ihm sagten: „Guten Morgen, Sir, fröhliche Weihnachten!“ und Scrooge sagte oft nachher, daß von allen lieblichen Klängen, die er je gehört, dieser seinem Ohr am lieblichsten geklungen hätte.

Er war nicht weit gegangen, als er denselben stattlichen Herrn auf sich zukommen sah, der am Tage vorher in sein Comptoir getreten war mit den Worten: „Scrooge und Marley, wenn ich nicht irre.“ Es gab ihm einen Stich ins Herz, als er dachte, wie ihn wohl der alte Herr beim Vorübergehn ansehen würde; aber er wußte, welchen Weg er zu gehen hatte, und ging ihn.

„Lieber Herr,“ sagte Scrooge, schneller gehend und des alten Herrn beide Hände ergreifend. „Wie geht’s Ihnen? Ich hoffe, Sie hatten gestern einen guten Tag. Es war sehr freundlich von Ihnen. Ich wünsche Ihnen fröhliche Weihnachten, Sir.“

„Mr. Scrooge?“

„Ja,“ sagte Scrooge. „Das ist mein Name und ich fürchte, er klingt Ihnen nicht sehr angenehm. Erlauben Sie, daß ich Sie um Verzeihung bitte. Und wollen Sie die Güte haben“ – hier flüsterte ihm Scrooge etwas in das Ohr.

„Himmel!“ rief der Herr, als ob ihm der Athem ausgeblieben wäre. „Mein lieber Mr. Scrooge, ist das Ihr Ernst?“

„Wenn es Ihnen gefällig ist,“ sagte Scrooge. „Keinen Penny weniger. Es sind viel Rückstände dabei, ich versichere es Ihnen. Wollen Sie die Güte haben?“

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