17. Dezember

Nach dem Thee war Musik. Denn sie waren eine musikalische Familie und wußten, was sie thaten, wenn sie einen Glee oder Catch sangen, darauf könnt Ihr Euch verlassen, vorzüglich Topper, der den Baß brummen konnte nach Noten, ohne daß die großen Adern auf der Stirn anschwollen, oder sein Gesicht roth wurde. Scrooge’s Nichte spielte die Harfe recht gut; und spielte unter anderen Stücken auch ein kleines Liedchen (ein bloßes Nichts, Ihr hättet es in zwei Minuten pfeifen gelernt), welches das Kind, von dem Scrooge aus der Schule geholt worden war, wie ihn der Geist der vergangenen Weihnachten gezeigt hatte, oft gesungen hatte. Als Scrooge dieses Liedchen hörte, trat Alles, was ihm der Geist gezeigt hatte, wieder vor seine Seele; er wurde weicher und weicher und dachte, wenn er es vor Jahren hätte oft hören können, so hätte er die gemüthlichen Seiten des Lebens genießen können,

ohne erst zu Marley’s Geist seine Zuflucht um Belehrung nehmen zu müssen.

Aber sie widmeten nicht den ganzen Abend der Musik. Nach einer Weile fingen sie Pfänderspiele an, denn es ist gut, zuweilen Kind zu sein und vorzüglich zu Weihnachten, als der Gründer dieses Festes selbst ein Kind war. Doch halt, erst spielten sie noch Blindekuh. Und ich glaube eben so wenig, daß Topper wirklich blind war, als ich glaube, er hätte Augen in seinen Stiefeln gehabt. Ich vermuthe, es war zwischen ihm und Scrooge’s Neffen abgekartet und der Geist der heurigen Weihnacht wußte es. Die Art, wie er die dicke Schwester in dem Spitzenkragen verfolgte, war eine Beleidigung der menschlichen Leichtgläubigkeit. Wo sie ging, ging er auch, die Feuereisen umstoßend, über Stühle stolpernd, an das Piano anrennend, sich in den Gardinen verwirrend. Immer wußte er, wo die dicke Schwester war. Wenn Jemand gegen ihn gefallen wäre, wie Einige thaten, oder sich vor ihn hingestellt hätte, würde er gethan haben, als bemühe er sich, ihn zu ergreifen, wäre aber augenblicklich umgekehrt, der dicken Schwester nach. Sie rief oft, das sei nicht ehrlich und wirklich war es das auch nicht. Aber endlich hatte er sie gefunden und trotz ihres Sträubens sperrte er sie in eine Ecke, wo keine Flucht möglich war; und da wurde seine Aufführung ganz abscheulich. Denn sein Vorgeben, er kenne sie nicht: er müsse ihren Kopfputz anfassen und um sie zu erkennen, einen gewissen Ring auf ihrem Finger und eine gewisse Kette um ihren Hals befühlen, war ganz, ganz abscheulich! Und gewiß

sagte sie ihm auch ihre Meinung darüber, denn als ein anderer Blinder an der Reihe war, waren sie hinter den Gardinen sehr vertraut mit einander.

Scrooge’s Nichte nahm nicht mit an dem Blindekuhspiele Theil, sondern saß gemüthlich in einer traulichen Ecke in einem Lehnstuhle mit einem Fußbänkchen, und der Geist und Scrooge standen dicht hinter ihr. Aber die Pfänderpiele spielte sie mit und liebte ihre Liebe mit allen Buchstaben des Alphabets zur Bewunderung. Auch in dem Spiele: Wie, Wenn und Wo, war sie sehr stark und stellte zur geheimen Freude von Scrooge’s Neffen ihre Schwestern gar sehr in Schatten, obgleich sie auch ganz gescheidte Mädchen waren, wie uns Topper hätte sagen können. Es mochten ungefähr zwanzig Personen da sein, junge und alte, aber sie spielten Alle und auch Scrooge spielte mit; denn in seiner Theilnahme an dem Geschehenen ganz vergessend, daß ihnen seine Stimme nicht hörbar war, sagte er oft seine Antwort auf die Fragen ganz laut und rieth auch oft ganz richtig.

Dem Geiste gefiel es sehr, ihn in dieser Laune zu sehen und er blickte ihn so freundlich an, daß Scrooge wie ein Knabe ihn bat, noch warten zu dürfen, bis die Gäste fortgingen. Aber der Geist sagte, dies könne nicht geschehen!

„Es fängt ein neues Spiel an,“ sagte Scrooge. „Nur eine einzige halbe Stunde, Geist.“

Es war ein Spiel, was man Ja und Nein nennt, wo Scrooge’s Neffe sich etwas zu denken hatte und die Anderen errathen mußten: was; auf ihre Fragen brauchte er blos mit Ja oder Nein zu antworten. Die schnell auf einander folgenden Fragen, die ihm vorgelegt wurden, stellten heraus,

daß er sich ein Thier dachte, ein lebendiges Thier, ein häßliches Thier, ein wildes Thier, ein Thier, das zuweilen brummte und zuweilen sprach und in London sich aufhielt und in den Straßen herumlief und nicht für Geld gezeigt und nicht herumgeführt würde und nicht in einer Menagerie sei und nicht geschlachtet werde und weder ein Pferd, noch ein Esel, noch eine Kuh, noch ein Ochs, noch ein Tiger, noch ein Hund, noch ein Schwein, noch eine Katze, noch ein Bär sei. Bei jeder neuen Frage, die ihm gestellt wurde, brach Scrooge’s Neffe von Neuem in ein Gelächter aus und konnte gar nicht wieder heraus kommen, so daß er vom Sopha aufstehen und mit den Füßen stampfen mußte. Endlich rief die dicke Schwester mit einem eben so unauslöschlichen Gelächter:

„Ich habe es, ich weiß es, Fritz, ich weiß es.“

„Was ist es?“ rief Fritz.

„Es ist Onkel Scrooge.“

Und der war es auch. Bewunderung war das allgemeine Gefühl, obgleich Einige meinten, die Frage: Ist es ein Bär? hätte müssen mit Ja beantwortet werden, denn eine verneinende Antwort sei schon hinreichend gewesen, ihre Gedanken von Scrooge abzubringen, selbst wenn sie auf dem Wege zu ihm gewesen wären.

„Nun, er hat uns Freude genug gemacht,“ sagte Fritz, „und so wäre es undankbar, nicht seine Gesundheit zu trinken. Hier ist ein Glas Glühwein dazu bereit. Es lebe Onkel Scrooge!“

„Es lebe Onkel Scrooge!“ riefen sie Alle.

„Eine fröhliche Weihnacht und ein glückliches Neujahr dem Alten, wie er immer sein möge!“ sagte Scrooge’s Neffe. „Er wollte den Wunsch nicht von mir annehmen, aber er soll ihn doch haben.“

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