16. Dezember

Eine große Ueberraschung war es für Scrooge, während er dem Stöhnen des Windes lauschte und nachdachte, wie schauerlich es doch sei, durch die öde Nacht über einen unbekannten Abgrund, der Geheimnisse barg, so tief wie der Tod, zu schiffen; eine große Ueberraschung war es für Scrooge, sagte ich, plötzlich ein herzliches Lachen zu vernehmen. Noch größer war Scrooge’s Ueberraschung, als er darin das Lachen seines eigenen Neffen erkannte und sich in einem hellen, behaglich warmen Zimmer wiederfand, während der Geist an seiner Seite stand und mit beifälligem, mildem Lächeln auf diesen selbigen Neffen herabblickte.

„Haha!“ lachte Scrooge’s Neffe. „Hahaha!“

Wenn durch einen sehr unwahrscheinlichen Zufall Jemand einen Menschen kennt, der sich glücklicher fühlt, zu lachen, als Scrooge’s Neffe, so kann ich nur sagen, ich möchte ihn auch kennen. Stellt mich ihm vor und ich werde seine Freundschaft cultiviren.

Es ist doch eine gerechte und schöne Anordnung, daß, wie Krankheit und Kummer ansteckend sind, auch in der ganzen weiten Welt nichts so unwiderstehlich ansteckend ist, wie Lachen und Fröhlichkeit.

Wie Scrooge’s Neffe lachte und sich den Bauch hielt

und mit dem Kopfe wackelte und die allermerkwürdigsten Gesichter schnitt, lachte Scrooge’s Nichte so herzlich wie er. Und die versammelten Freunde, nicht faul, fielen in den Lachchor ein.

„Haha! Haha! Haha!“

„Er sagte, Weihnachten wäre dummes Zeug, so wahr ich lebe,“ rief Scrooge’s Neffe. „Er glaubt es auch.“

„Die Schande ist um so größer für ihn, Fritz,“ sagte Scrooge’s Nichte entrüstet. Gott segne die Frauen! Sie thun nie etwas halb. Sie sind immer in vollem Ernste.

[Sie war hübsch, sehr hübsch. Sie hatte ein liebliches, schelmisches Gesicht; einen frischen kleinen Mund, der zum Küssen geschaffen schien – wie er es ohne Zweifel auch war; alle Arten lieber kleiner Grübchen um das Kinn, welche in einander flossen, wenn sie lachte; und das sonnenhellste Paar Augen, welches je erblickt wurde. Ja, sie war reizend, liebenswürdig, hinreißend.

„Es ist ein komischer alter Kerl,“ sagte Scrooge’s Neffe, „das ist wahr; und nicht so angenehm, wie er sein könnte. Doch seine Fehler bestrafen sich selbst und ich habe ihn nicht zu tadeln.“

„Er muß sehr reich sein, Fritz,“ meinte Scrooge’s Nichte. „Wenigstens sagst Du es immer.“

„Was geht das uns an, Liebe!“ sagte Scrooge’s Neffe. „Sein Reichthum nützt ihm nichts. Er thut nichts Gutes damit. Er macht sich nicht einmal selbst das Leben damit angenehm. Er hat nicht das Vergnügen, zu denken – hahaha – daß er uns am Ende damit eine Freude machen wird.“

„Ich habe keine Geduld mit ihm,“ bemerkte Scrooge’s

Nichte. Die Schwester von Scrooge’s Nichte und all die anderen Damen waren derselben Meinung.

„O, ich habe Geduld,“ sagte Scrooge’s Neffe. „Mir thut er leid; ich könnte nicht bös auf ihn werden, selbst wenn ich’s versuchte. Wer leidet unter seiner bösen Laune? Er selber, weiter Niemand. Jetzt hat er sich in den Kopf gesetzt, uns nicht leiden zu können und will nicht unsre Einladung zum Mittagsessen annehmen. Was ist die Folge davon? Er verliert nicht viel an unserm Essen.“

„Nun, ich meine, er verliert ein sehr gutes Essen,“ unterbrach ihn Scrooge’s Nichte. Die Anderen sagten dasselbe und man konnte ihnen die Competenz nicht bestreiten, weil sie eben zu essen aufgehört hatten und jetzt bei dem Dessert bei Lampenlicht um das Kamin saßen.

„Nun, es freut mich, das zu hören,“ sagte Scrooge’s Neffe, „weil ich kein großes Vertrauen in diese jungen Hausfrauen habe. Was sagen Sie dazu, Topper?“

Ganz klärlich war’s, Topper hatte ein Auge auf eine der Schwestern von Scrooge’s Nichte geworfen, denn er antwortete, ein Hagestolz sei ein unglücklicher, heimathloser Mensch, der kein Recht habe, eine Meinung über diesen Gegenstand auszusprechen; bei welchen Worten die Schwester von Scrooge’s Nichte – die Runde mit dem Spitzenkragen, nicht die mit der Rose im Haar – roth wurde.

„Weiter, weiter, Fritz!“ sagte Scrooge’s Nichte, in die Hände klatschend. „Er bringt nie zu Ende, was er angefangen hat! Er ist ein so närrischer Kerl.“

Scrooge’s Neffe schwelgte in einem andern Gelächter, und es war unmöglich, sich von der Ansteckung fern zu halten, obgleich die dicke Schwester es sogar mit quatre voleurs versuchte: sein Beispiel wurde einstimmig nachgeahmt.

„Ich wollte nur sagen,“ sagte Scrooge’s Neffe, „daß die Folge seines Mißfallens an uns und seiner Weigerung, mit uns fröhlich zu sein, die ist, daß er

einige angenehme Augenblicke verliert, welche ihm nicht schaden würden. Gewiß verliert er angenehmere Unterhaltung, als ihm seine eigenen Gedanken in seinem dumpfigen alten Comptoir oder in seiner Wohnung geben. Ich denke ihm jedes Jahr die Gelegenheit dazu zu geben, ob es ihm nun gefällt oder nicht, denn er dauert mich. Er mag auf Weihnachten schimpfen, bis er stirbt, aber er muß doch endlich besser davon denken, wenn er mich jedes Jahr in guter Laune zu ihm kommen sieht, mit den Worten: Onkel Scrooge, wie befinden Sie sich? Wenn es ihm nur den Gedanken eingiebt, seinem armen Diener funfzig Pfund zu hinterlassen, so ist das doch wenigstens etwas; und ich glaube, ich packte ihn gestern.“

Es war jetzt an ihnen die Reihe zu lachen, bei dem Gedanken, daß er Scrooge gepackt hätte. Aber da er durch und durch gutmüthig war und sich nicht sehr darum kümmerte, über was sie lachten, wenn sie nur überhaupt lachten, so fiel er in ihre Fröhlichkeit ein und ließ die Flasche munter herum gehen.

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